Kerstin Preiwuß liest aus «Restwärme»
Ein Abend voller Kontraste
Am Abend des 27. August 2014 überrascht die Lyrikerin Kerstin Preiwuß die angehenden Buch- und Einzelhändler des 184. Berufsschulkurses mit ihrer Lesung aus ihrem Romandebut «Restwärme».
Kerstin Preiwuß verliert nicht viele Worte, bevor sie mit der Lesung eines Teils aus ihrem im Juli im Berlin Verlag erschienenem Buch beginnt. Eine kurze freundliche Begrüßung der Gäste, ein paar Worte zu ihrer Vita als Lyrikerin, jetzt auch Prosaautorin und zweifache Mutter. Dann geht es auch schon los.
Zur Beerdigung ihres Vaters kehrt die Geologin Marianne in das Elternhaus in der mecklenburgischen Provinz zurück. Die Vergangenheit wird aufgearbeitet. Vater, Mutter, Sohn, Tochter. Eine Familie in der Nachkriegszeit auf dem Land. Die Lebenssituation vieler Menschen in den 50er und 60er Jahren oszilliert in den kleineren und größeren Dramen dieser vierköpfigen Familie.
Mit kühlem Ton liest Kerstin Preiwuß eine Episode aus ihrem Roman und der Vergangenheit ihrer Protagonistin. Gerade wird der jüngere Bruder vom Vater bei der täglichen Familiensporteinheit abgestraft und geschlagen. Viel Gewalt, viel Sprachgewalt. Man hört die Lyrikerin heraus. Der Kopf der irgendwie eleganten Autorin zuckt, schlägt leicht aus, als sie die kurzen kühlen Sätze liest. Gebanntes, andächtiges, beklommenes Schweigen in der Gruppe.
Hat jemand Fragen? Ein wenig dauert es, bis die Azubis sich trauen, dann kommen die Fragen aber und es sind viele. Zu ihrem Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, zu dem Wechsel von der Lyrik zur Prosa, zu ihrem Lebens- und Arbeitsalltag als Mutter und Schriftstellerin und natürlich Fragen zu «Restwärme», Fragen zur Gewalt.
Aufmerksam und konzentriert lauscht Kerstin Preiwuß den Fragen. Sucht bewusst nach Worten, um die richtigen für bisweilen sensible emotionale Gemengelagen zu finden. Toll, wie sie mit ihren Gästen spricht, denke ich. Keine Spur von Selbstinszenierung, intellektueller Arroganz oder pseudo-vergeistigter Attitüde, richtig empathisch, richtig nett.
Ein Abend voller Kontraste, kalt, herzlich, sachlich, emotional. Und vor allem echt und stimmig. Vielen herzlichen Dank an Kerstin Preiwuß für diese ganz beeindruckende Lesung.