«Jeder Satz brachte sie ihm nahe»
Ein Abend über die Familie von Anne Frank
Von der Veranstaltung im Rahmen von «Frankfurt liest ein Buch» berichten die Auszubildenden Katharina Michalewicz und Mandy Krajewski:
Ein heller Raum, am vorderen Ende ein Podium und eine Leinwand, auf der das Bild eines Buchcovers zu sehen ist: «Grüße und Küsse an alle – Die Geschichte der Familie von Anne Frank». Es ist das diesjährige Buch der bekannten Veranstaltungsreihe «Frankfurt liest ein Buch».
Autorin des Romans ist Mirjam Pressler. In Zusammenarbeit mit Gerti und Buddy Elias, des kürzlich verstorbenes Cousins von Anne Frank, ist ihr ein kleines Meisterwerk gelungen. Circa 6000 Briefe der Familie Frank wurden für dieses einzigartige Projekt studiert und ausgewählt und von Pressler zu einem spannenden Familienroman zusammengetragen.
Die Veranstaltung am 23. April 2015 bildete den Abschluss der Lese- und Veranstaltungs-AG des mediacampus frankfurt. Im März fanden sich unter Leitung des Dozenten Marcus Riverein interessierte Schüler, angehende Buchhändler und Einzelhandelskaufleute, zusammen, lasen das Buch, setzten sich thematisch damit auseinander und organisierten in Zusammenarbeit mit dem Verlag die Abendveranstaltung. Sie überlegten, wie die Podiumsdiskussion ablaufen könnte und bei jedem Treffen kamen mehr Fragen zusammen, die schließlich am gestrigen Abend eine Antwort fanden.
Der Konferenzsaal des S. Fischer Verlags füllte sich langsam und alle warteten gespannt auf das Podiumsgespräch mit Mirjam Pressler, Gerti Elias und den drei Auszubildenden des mediacampus, Lisa Franzkowiak, Melissa Orhan und Miriam Rohde. Jeder erwartete ungeduldig, was die beiden Frauen zu erzählen hätten, über das Buch und die Zusammenarbeit zwischen der Autorin und dem Paar Elias, welches seit Jahren in die Arbeit des Anne Frank Fonds involviert ist.
Die Veranstaltung begann mit dem Vorlesen des Prologs: Die Zuhörer wurden so direkt in die Geschichte eingeführt und sogleich begann auch die Diskussion. Mit Begeisterung erzählte Gerti Elias anschaulich und sehr gefühlvoll, wie sie all die Briefe auf dem Dachboden der Herbstgasse gefunden und wie sie beim Stöbern in Erinnerungen geschwelgt hatte.
Die drei Moderatorinnen lenkten das Gespräch in unterschiedliche Richtungen und so bekamen wir Einblicke in die Zusammenarbeit von Pressler und Elias, die beide so gerne erzählen wollten. Sie fielen sich dabei regelrecht ins Wort und ergänzten sich dabei wundervoll, was beim Publikum jedes Mal ein Schmunzeln auslöste. Die Chemie zwischen den beiden augenscheinlich unterschiedlichen Frauen stimmte einfach!
Großen Raum nahm die Entstehungszeit des Buches ein: Den Anstoß zu dem Projekt gab Gerti Elias, denn sie sichtete all die Briefe, die in Sütterlin-Schrift verfasst waren. Glücklicherweise war sie in der Lage, diese Schrift zu lesen, und Interessantes zu übertragen. Irgendwann war klar, aus diesen Briefen muss ein Buch werden und schnell kam der Gedanke, Mirjam Pressler in dieses ungewöhnliche Projekt einzubinden. Doch diese lehnte zunächst ab. Erst ein Besuch bei Gerti und Buddy Elias änderte ihre Meinung, denn ein Bild von Anne Franks Großmutter, Alice Frank, hatte sie so tief beeindruckt, dass sie doch zusagen musste.
Durch die vielen persönlichen Geschichten wurde dem Publikum das Buch noch näher gebracht. Pressler erzählte, dass natürlich einige Stellen Fiktion sind, denn niemand kann mehr wissen, wie genau die Dinge wirklich abgelaufen sind. Doch anhand der Briefe und der Zusammenarbeit mit Buddy und Gerti hat sie ein tolles Buch geschrieben, das den Leser emotional berührt, ihm aber gleichzeitig die Geschichte der Familien Frank und Elias näher bringt und somit die «fehlenden Teile» der Familiengeschichte ergänzt, die sich in Anne Franks Tagebuch nicht finden lassen.
Neben vielen Anekdoten über die Zusammenarbeit, gab es am gestrigen Abend auch sehr ergreifende Momente. Zum Beispiel, als eine Stelle aus dem dritten Kapitel des Buches vorgetragen wurde, das sich mit dem kürzlich verstorbenen Buddy Elias beschäftigt. Besonders Gerti Elias war sehr ergriffen als die Textstelle vorgelesen wurde.
Im Anschluss an das Podiumsgespräch gab es für das Publikum die Möglichkeit Fragen zu stellen und Bücher signieren zu lassen. Es war ein sehr gelungener Abend, der uns noch lange in Erinnerung bleiben wird. Vielen Dank an Gerti Elias und Mirjam Pressler sowie den S. Fischer Verlag für diesen schönen Abend!