09.04.2019 campus-leben

Heike Görtemaker zu Besuch am Campus

«Hitlers Hofstaat» im Fokus

Fast 90 Auszubildende waren am Abend des 9. April in die Piper-Lounge gekommen, um die Historikerin Heike Görtemaker kennen zu lernen. Görtemaker hat beim Münchener Verlag C. H. Beck ihr neuestes Buch «Hitlers Hofstaat» veröffentlicht. Zuvor hatte sie mit Biografien zu Eva Braun (1912-1945), der Geliebten Hitlers, und der Journalistin Margret Boveri (1900-1975), beide ebenfalls bei C. H. Beck erschienen, von sich reden gemacht.

In «Hitlers Hofstaat» beschäftigt sich Görtemaker nicht mehr nur mit Eva Braun, sondern nimmt den «inner circle» um den Diktator in den Blick. Zu Beginn der Veranstaltung kritisierte sie zunächst die stark zentrierte Sicht auf Adolf Hitler als Führer und machte klar, dass es unerlässlich ist, den Einfluss des unmittelbaren Umfeldes auf Hitler zu untersuchen. Dieses Umfeld und insbesondere die Frauen in diesem Kreis sind bisher von der Geschichtswissenschaft nicht angemessen berücksichtigt worden.

In ihrem spannenden Vortrag, den sie mit umfangreichem Bildmaterial unterlegte, stellte sie die wesentlichen Ergebnisse ihrer Forschungen zu Adolf Hitler und dessen «inner circle» dar. Sie unterschied dabei zwischen zwei Kreisen: Einem frühen vor 1933 entstandenen sowie einem nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten angesiedelten. Das erste Umfeld speiste sich vor allem aus den frühen Anhängern Hitlers, jenem antikommunistischen, antidemokratischen und antisemitischen Milieu, in dem auch die NSDAP entstanden ist. Neben alten Weggefährten wie Max Amann (1891-1957) und Hermann Esser (1900-1981) stellte sie auch die Bedeutung des Verlegerehepaares Hugo (1863-1941) und Elsa Bruckmann (1865-1946) heraus, die zu den frühen Finanziers und Gönnern Hitlers gehörten und deren Stellenwert für den Aufstieg Hitlers bisher als zu gering eingeschätzt worden ist. Nach 1933 wandelte sich der Kreis um Hitler und es kristallisierte sich sogenannte «Berghofgesellschaft», benannt nach dem bei Berchtesgaden gelegenen Feriendomizil Hitlers, als zweiter Kreis hinaus. Diesem Kreis gehörten vor allem hochrangige NS-Politiker wie Joseph Goebbels (1897-1945) und Albert Speer (1905-1981) an. Dem neuen Umfeld gewährte der zum Diktator aufgestiegene Hitler nun üppige Zuwendungen und Gefälligkeiten, ermöglichte Karrieren und kehrte damit die bisherigen Abhängigkeitsverhältnisse geradezu um.

In der historischen Forschung wird diese «Berghofgesellschaft» bisher als bedeutungslos wahrgenommen. Vielmehr galt Hitler schon früh als bindungs- und beziehungslos – ein Bild, das besonders durch die 1973 von Joachim Fest (1926-2006) verfasste Hitler-Biografie verbreitet worden ist. Nach 1945 hat sich der Kreis um Hitler als eine Art Schicksalsgemeinschaft verstanden und ist damit sogar noch enger aneinandergerückt. Es gelang ihnen dabei, die Deutungshoheit über die Wahrnehmung Adolf Hitlers zu erhalten und das Bild des bindungsunfähigen Menschen zu pflegen. In den Memoiren Albert Speers von 1966 blendete dieser folgerichtig Kenntnis von Verbrechen des Dritten Reiches aus und machte aus dem Kreis um Hitler eine Teegesellschaft, die im wesentlichen Staffage für Hitlers Monologe dargestellt habe. Dass es ihm dabei auch darum ging, die eigene Beteiligung an diesen Verbrechen zu verwischen, kann daher niemanden verwundern. Görtemakers Schlussfolgerung lautet demnach, dass man Hitler stärker als in der bisherigen historischen Forschung als Teil einer Gruppe betrachten muss.

Nach der Buchvorstellung hatten die Auszubildenden reichlich Gelegenheit für Fragen zu dem Buch. Dass das Interesse groß war, sieht man daran, dass die Historikerin noch lange nach der Veranstaltung mit den angehenden Buch- und Einzelhändlern zusammensaß. Der Verlag C. H. Beck hatte nicht nur für einen Imbiss gesorgt, sondern auch noch für Leseexemplare von «Hitlers Hofstaat», welche die Autorin gerne signierte.  Wir danken Heike Görtemaker und dem Verlag C. H. Beck für den mehr als gelungenen Abend, die Pizza und die schönen Leseexemplare.

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