16.10.2023 campus-leben, veranstaltungen

Wenn man ganz ruhig ist, kann man Kuhglocken läuten hören

Die Abendveranstaltung des Folio-Verlags brachte ein Hauch Südtirol an den mediacampus

Bereits bei der Ankündigung dieser Abendveranstaltung ließ sich erkennen, dass es sich um eine der Lieblingsveranstaltungen der Dozent:innen handelte.

Diese Vermutung bestätigte sich, als Tobias Wissmann, der den Abend betreute, die Vertreter:innen des Folio Verlags zum «Highlight des Jahres» begrüßte.

Voller Vorfreude fanden sich an diesem 16. Oktober, dem Montag vor der Buchmesse circa 40 Azubis persönlich und digital zusammen, um mehr über den in Bozen und Wien ansässigen Verlag zu erfahren.

Als Gäste waren der Verleger und Verlagsmitbegründer Hermann Gummerer der Leiter von Vertrieb, Verkauf und Marketing Ulrich Deurer und Anna Lauerer, die Vertrieb und Marketing für Folio in Bozen verantwortet, anwesend.

Zur Einführung sprach Hermann Gummerer über die Zeit und die Umstände der Verlagsgründung. Für ihn ist es von besonderer Bedeutung ein Augenmerk auf den Zwiespalt den man als Südtiroler Verlag in sich trägt zu legen. Sowohl für die Menschen als auch für den Verlag sind Themen wie Zweisprachigkeit und Identität immer von Bedeutung. Dies bezieht sich jedoch nicht nur auf Südtirol, sondern findet sich auch in vielen Publikationen des Verlags wieder. Dabei spielt auch der Zerfall Jugoslawiens und die damit einhergehende kriegerische Gewalt, die in der Gründungszeit des Verlags aktuell war, eine entscheidende Rolle.

Folio legte von Anfang an Wert auf Autor:innen vom Balkan, die gegen den Wahnsinn des Krieges anschrieben. Bis heute ist Literatur aus Südosteuropa, die Sensibilität für verschiedene Sichtweisen vermittelt, fest in das Programm des Verlags integriert.
Ein weiterer Schwerpunkt des Verlags liegt auf Literatur aus Italien. Viele bedeutende italienische Autor:innen der Nachkriegszeit wurden bei Folio zuerst auf Deutsch verlegt. Dabei ist es wichtig, dass man im Verlag die italienische Sprache beherrsche und daher die Übersetzungen den ursprünglichen Charakter beibehalten.

Nach diesen einführenden Worten des Verlegers übernahm der Vertriebsleiter Ulrich Deurer das Wort. Zunächst stellte er sich dem Publikum vor und erzählte von seinem ungewöhnlichen Lebensweg, der den ehemaligen Fußballspieler über den Buchhandel in den Verlag führte.

Anschließend begann er mit der Vorstellung aktueller Spitzentitel ihres Programms. Beginnend mit einem Plädoyer für Autor:innen aus Osteuropa, da diese Literatur in Deutschland nie so angekommen ist wie in Österreich. Als Beispiel nannte er Goran Vojnović der mit seinem Roman «18 Kilometer bis Ljubljana» im aktuellen Programm vertreten ist. Der Autor stammt aus Slowenien, dem aktuellen Gastland der Buchmesse, und behandelt in seinen Romanen wiederholt die Themen Unbehaustheit, Heimatlosigkeit und Identitätssuche. Seine Herkunft als Sohn einer istrischen Kroatin und eines Bosniers, die zur Zeit seiner Geburt in Slowenien lebten, spiegelt den Zwiespalt der Region des ehemaligen Jugoslawiens wider. Diese Zerrissenheit wird von ihm in seinen Romanen immer wieder aufgegriffen und mit einer humorvollen, aber nicht immer politisch korrekten Sprache beschrieben, die die harte Realität dieser Region widerspiegelt.

Als zweiten Titel stellte Deurer «Groll» von Gianrico Carofiglio vor. Dieser italienische Krimi steht exemplarisch für die Kriminalromane von Folio, die dazu anregen sollen, über gesellschaftliche Themen nachzudenken. In «Groll» stehen Fragen der Moral in der Strafverfolgung und die Beweggründe der handelnden Personen mehr im Mittelpunkt als das Finden des Täters.

Anschließend stellte Anna Lauerer noch das Sachbuchprogramm des Verlages vor. Ein Beispiel für ein Naturbuch aus dem aktuellen Programm ist «Wie man mit Haien schwimmt» von Franҫois Sarano. Dieses Buch ist eine «Liebeserklärung für ein Miteinander mit den Tieren», die durch Steven Spielberg ein schlechtes Image bekommen haben. Mit Unterwasserfotos, Zeichnungen und QR-Codes für Videoclips soll die Vielfalt und die Schönheit der Haie gezeigt werden.

Ein wichtiges Thema im Sachbuch ist Südtirol. Obwohl Südtirol mit circa 500.000 Einwohner:innen eine kleine Region ist, ist sie mit 34 Millionen Übernachtungen, davon ca. 3 Millionen aus Deutschland, für den Tourismus sehr bedeutend. Folio setzt bei den Reiseführern zur Region auf die Südtiroler Perspektive, um diese sowohl für die Wochenendgestaltung der Einheimischen als auch für Tourist:innen gleichermaßen attraktiv zu gestalten. In den Reiseführern wird besonderer Wert auf eine naturnahe und nachhaltige Art des Reisens gelegt, um die Urlaubsregion zu erhalten.
Abschließend hob Lauerer die Sonderstellung von Folio als «Ötzi»-Verlag hervor. In Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Archäologiemuseum entstanden verschiedene (Jugend-)Sachbücher über den «Mann aus dem Eis». Als Anschauungsmaterial hatte Anna Lauerer eine Nachbildung des Pfeils mitgebracht, mit dem Ötzi ermordet wurde. Dieser Mord bleibt bis heute spannend und wird derzeit von dem bekannten Fallanalytiker Alexander Horn aufgearbeitet und in einer Neuerscheinung veröffentlicht.

Die Gletschermumie bildete die perfekte Überleitung zum kulinarischen Abschluss des Abends. Bei Südtiroler Schinken, Käse, Schüttelbrot, Wein und Kirschlikör klang der Abend mit netten Gesprächen, lustigen Geschichten aus der Anfangszeit des Verlages und den ersten Messeteilnahmen aus.

Wir bedanken uns bei den Vertretern des Folio Verlags für diesen schönen Abend und natürlich auch für die mitgebrachten Köstlichkeiten und Leseexemplare.

Otto Ritter, 230. Block

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